Pressemitteilung des Landesintegrationsrates NRW vom 15. März 2017.
Im Landtag NRW wurde heute die einmalige Chance vergeben, mit einer Änderung der Landesverfassung für mehr politische Teilhabe und Gleichberechtigung zu sorgen. Die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer aus Nicht-EU-Staaten wurde von den Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt, wodurch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für das Gesetzesvorhaben von SPD, Grünen und Piraten nicht zustande kam.
Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW: „Ich bin aufgebracht und zutiefst enttäuscht über diese Entscheidung. Mit ihrer ewig gestrigen Haltung gegenüber den Beteiligungsmöglichkeiten von Migrantinnen und Migranten sind CDU und FDP ein Klotz am Beim der modernen Einwanderungsgesellschaft. Abermals wurde die Chance verpasst, mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle Migrantinnen und Migranten Hürden für die Integration und Identifikation mit dieser Gesellschaft abzubauen und die Beteiligung der Menschen in der Gesellschaft zu fördern. Außerdem wäre dies vor der anstehenden Landtagswahl im Mai ein klares Zeichen für eine offene, moderne Einwanderungsgesellschaft und gegen den erstarkenden Rassismus und Rechtspopulismus.“
Insbesondere sei die Haltung der FDP sehr frustrierend, da sie nun endgültig von dem kommunalen Ausländerwahlrecht Abschied nimmt. Der Fraktionsvorsitzende Christian Lindner erteilte in seiner Landtagsrede dieser alten Forderung der Liberalen eine klare Absage. Er lehnte den Gesetzentwurf wegen seiner angeblichen Verfassungswidrigkeit ab. Außerdem drohe der Gesellschaft einen „Kulturkampf zwischen denjenigen, die für eine offene Gesellschaft plädieren und denjenigen, die Abschottung wollen“. Darüber hinaus kritisierte Lindner einen Teil der Migranten wegen ihrer „fehlenden Bereitschaft zur Integration“. „Die FDP hatte in Nordrhein-Westfalen die einzigartige Gelegenheit, sich mit der Unterstützung des Ausländerwahlrechts für ein fortschrittliches Bundesland stark zu machen. Leider hat dazu offenbar der Mut und der Wille gefehlt“, so Keltek.
Als reines Ablenkungsmanöver bezeichnet Keltek das Argument des CDU-Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet, indem er die türkeistämmigen AKP-Anhänger in Deutschland als Grund für seine ablehnende Haltung anführte: „Man darf nicht die berechtigte Forderung der Migrantinnen und Migranten nach einem Wahlrecht mit einer politischen Strömung in einer Ethnie verknüpfen. Erstens geht es nicht nur um die Teilhabe von Migranten mit türkischem Migrationshintergrund; zweitens sind bei weitem nicht alle Menschen mit türkischem Migrationshintergrund AKP-Anhänger“, erklärte Keltek.
Keltek weiter: „Nicht zuletzt die Ratsbeschlüsse in 55 nordrhein-westfälischen Städten und Kommunen, die im Rahmen der Kampagne des Landesintegrationsrates NRW ‚HIER, wo ich lebe, will ich wählen‘ zustande kamen, hätten die Abgeordneten im Landtag von der Dringlichkeit des Kommunalwahlrechts für alle überzeugen müssen. Dennoch danke ich den Fraktionen der SPD, der Grünen und der Fraktion Piraten dafür, dass sie sich für unsere Kampagne im Landtag stark gemacht haben.“
Das kommunale Wahlrecht für alle Ausländerinnen und Ausländer ist überfällig. Die Lebensrealität der Menschen hat die Gesetzeslage längst überholt. Seit vielen Jahren fordert der Landesintegrationsrat NRW daher mehr politische Rechte für Migrantinnen und Migranten und das Ende der Ungleichbehandlungen von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Mit dieser Forderung ist er nicht allein. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im August 2015 ergab, dass 62 Prozent der Wahlberechtigten in NRW die Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer unterstützen. Selbst eine Mehrheit der Unions-Anhänger befürwortet ein Ausländerwahlrecht.